Beratung bei Paarkonflikten: Wie eine harmonische Partnerschaft gelingen kann
Konflikte in der Partnerschaft sind natürlicher Bestandteil zwischenmenschlicher Beziehungen. Sie entstehen oft durch unterschiedliche Erwartungen, Kommunikationsstile oder persönliche Bedürfnisse. Während Auseinandersetzungen belastend sein können, bieten sie zugleich auch die Chance, das Verständnis füreinander zu vertiefen und die Beziehung zu stärken. Der konstruktive Umgang mit Konflikten erfordert jedoch von beiden Beteiligten Offenheit, Empathie und die Bereitschaft, gemeinsam Lösungen zu finden. Heidemarie Schmid (Emotionsfokussierte Paartherapeutin), Silvia Armbruster und Albert Weissinger (Systemisch integrative Paartherapeuten) sind Mitarbeiter*innen der Psychologischen Beratungsstelle der Caritas Ulm-Alb-Donau und arbeiten dort im Bereich der Ehe-, Familien- und Lebensberatung. Sie beraten und begleiten Einzelpersonen und Paare dabei, aus Konflikten zu lernen und die Partnerschaft (wieder) auf eine solide Basis zu stellen. In diesem Interview berichten sie von ihren Erfahrungen und geben Anregungen, wie Konflikte in Beziehungen gelöst werden können.
Was ist für Sie der Kern einer funktionierenden Beziehung?
S. Armbruster: Dass ich mit Achtung und Respekt mir selbst und meinem Gegenüber begegne. Das bedeutet für mich, dass ich mir meine Gefühle und Empfindungen zugestehe und anerkenne und meinem Gegenüber auch seine. Was aber nicht heißen soll, "so bin ich halt", sondern auch die Bereitschaft voraussetzt meine Schattenseiten offen und ehrlich anzuschauen und mich persönlich weiter zu entwickeln.
Bei Ihnen sitzen die unterschiedlichsten Paare. Gibt es für deren Konflikte so etwas wie einen gemeinsamen Nenner?
S. Armbruster: Oft entstehen Konflikte dadurch, dass sich die Partner*innen gegenseitig nicht gesehen und verstanden fühlen. Mit den Jahren kann die gegenseitige Wertschätzung, für das was jede*r im Alltag leistet und einbringt, verloren gehen. Vieles wird als selbstverständlich erwartet und eingefordert. Daraus entwickeln sich Erwartungen und Vorwürfe, "der*die andere müsste nur so oder so sein, dann wäre alles besser".
Wie wichtig ist die Fähigkeit zum Perspektivwechsel? Der scheint vielen schwerzufallen…
S. Armbruster: Wenn ich die Fähigkeit habe, mich in den anderen hinein zu versetzten, eine Situation aus der anderen Perspektive zu betrachten, dann kann ich eher verstehen und nachvollziehen, warum mein Gegenüber so oder so handelt, oder empfindet. Dies setzt aber auch eine offene und ehrliche Kommunikation über Gefühle und Wahrnehmungen voraus.
Wenn ich also den anderen verstehe und gleichzeitig das Gefühl habe verstanden zu werden, dann muss ich nicht mehr kämpfen, bzw. meine Position klar machen oder mich verteidigen, sondern kann mitfühlend bei meinem Gegenüber sein.
Ich denke der Perspektivwechsel fällt deshalb schwer, weil die Angst dahinter steckt, dass ich dann meine Position aufgeben muss.
Wie schafft man es als Paar, gut miteinander in Kontakt zu sein?
S. Armbruster: Ich denke Zeit ist da ein wichtiger Faktor, wirklich qualitativ gute Zeit. Da sind dann das Handy, der Fernseher und andere Medien aus. Gemeinsame Erlebnisse sind wichtig, die nicht voneinander ablenken, sondern einen gemeinsamen Erfahrungsraum öffnen, in dem ein Austausch über die eigenen Gefühle, Empfindungen, Wünsche und Bedürfnisse möglich ist.
Ist Liebe am Ende des Tages eine Entscheidung?
S. Armbruster: Ja, eine Entscheidung, die ich immer wieder aufs Neue treffen darf, aber auch eine Entscheidung dafür, dass ich mich mit mir und meinem gegenüber auseinandersetzte, zum Zwecke der eigenen persönlichen Weiterentwicklung.
David Schnarch, er war einer der führenden Sexual- und Paartherapeuten aus den USA, spricht in diesem Zusammenhang von der Ehe als "Schmelztiegel", von der Sackgasse der Ehe, in die das Paar im Laufe ihrer gemeinsamen Geschichte unweigerlich kommen muss, um sich den eigenen unbewussten Themen zu stellen.
Viele empfinden ihre Beziehung insgeheim als eine Art Gefängnis. Sie haben das Gefühl, sich nicht weiterentwickeln zu können. Ist da was dran?
H. Schmid: In der Paarberatung nennen wir das Gefängnis, das Sie ansprechen, auch den Teufelskreis. Eine Abwärtsspirale, in der das Paar sich festdreht und die sichere, geborgene Atmosphäre der Liebesbeziehung verloren geht. Klassischerweise erleben Paare das zum Beispiel an Entwicklungsschwellen der Beziehung (der Honeymoon geht vorbei, die Rosarotebrille ist abgelegt, Familienplanung steht an, Schritt auf der Karriereleiter, Eintritt in die Rente, o.Ä.). Was dann nach und nach schwindet ist ein gegenseitiges, empathisches Zugewandt-Sein. Genau das ist es, was wir zutiefst brauchen: ein wohlwollendes Gegenüber, das an uns glaubt. Dann ist auch individuelle Entwicklung möglich. Diese Bestrebungen für Autonomie sind ebenso elementar für eine glückliche Beziehung wie das Erleben einer sicheren Bindung und dem "Aufeinander-Ausgerichtet-Sein".
Was passiert dann?
Das Idealbild, das ganz viele Menschen vor Augen haben, ist pure Eintracht. Inwieweit ist das ein Problem?
H. Schmid: "Pure Eintracht" auf Grundlage der Bindungstheorie kann auch so verstanden werden: In der Paarbeziehung fühlen sich die Partner*innen geborgen und gesehen, dies ermöglicht eine tiefe, emotionale Verbindung. Dies stellt ein Grundbedürfnis von uns Menschen dar, denn die Beziehung zur sozialen Gruppe oder zu nahen Menschen zu verlieren ist eine Bedrohung für das Überleben. Wir brauchen also sowas wie "pure Eintracht". Diese herzustellen lösen manche Menschen fälschlicherweise dadurch, dass sie sich selbst verleugnen und die tieferliegenden Emotionen wie z.B. Scham, Trauer, Angst oder Schmerz nicht zeigen. Dann kann es zum Problem einer Paarbeziehung werden, die Liebesbeziehung fühlt sich wie abgestorben an. "Pure Eintracht" meint also nicht, sich selbst aufzugeben, es kann viel mehr bedeuten sich durch das Erleben einer erfüllenden, geborgenen Beziehung in den eigenen Stärken weiter zu entwickeln und das eigene Potential voll auszuschöpfen.
Zu denselben Routinen gehört auch, immer wieder auf dieselbe Art und Weise zu streiten. Wie geht Streiten richtig?
Haben Sie ein Beispiel?
H. Schmid: Für viele Paare ist Streit leider ein routinierter Begleiter der Paarbeziehung, da er einer Art Choreografie gleicht: eine*r greift an, der*die andere zieht sich zurück. Die Anschuldigungen werden aggressiver ("Du machst nie was im Haushalt"), auf Beschwichtigungen folgen Gegenangriffe ("Du machst nur dein Ding").
Aus der Bindungs- und Paarbeziehungsforschung wissen wir, dass im Streit die sichere Bindung der Partner*innen unterbrochen ist. Auf diese innere Not reagieren wir automatisiert und versuchen, uns zu schützen. Was wir also eigentlich suchen, ist ein Gegenüber, dem wir uns anvertrauen können, der*die uns in belastenden Situationen Trost und Sicherheit gibt.
In der emotionsfokussierten Paartherapie (EFT) begleiten wir das Paar daher dabei, die Abwärtsspirale des destruktiven Konflikts zu beenden und sich stattdessen dem*der Partner*in gegenüber verletzlich zu zeigen. Der Schlüssel in der EFT richtig zu streiten ist, sich der eigenen Gefühle und Bedürfnisse bewusst zu werden und diese dem*der Partner*in gegenüber auszudrücken.
Die Scheidungsrate zeigt: Vielen ist eine konstruktive Auseinandersetzung offenbar zu anstrengend. Trennen sich die Leute heutzutage zu schnell?
H. Schmid: Meine Erfahrung ist, dass keine*r sich eine Trennung leicht macht. Wenn es auch nach außen so scheinen mag, doch im Inneren geht jedem Menschen ein Ringen voraus, was der richtige Schritt sein mag. Doch genauso würde ich sagen, eine konstruktive Auseinandersetzung innerhalb der Paarbeziehung ist lohnend! Das sind sehr bewegende Momente in der Paarberatung, wenn zwei Menschen wieder zu einander und zu ihrer Liebe finden und diese wieder beleben. Was sie dazu brauchen ist eine Art Handreichung, wie eine erfüllte und glückliche Paarbeziehung gelebt werden kann. Leider lernen das die Wenigsten von uns sehr früh, weder bei unseren Eltern noch in der Schule. Die EFT ist ein einfaches Modell für Paare, aus dem Krisenmodus wieder herauszufinden. Eine Trennung müsste dann nicht sein.
Das ist das Schöne an meiner Arbeit als Paartherapeutin, Paare zurück auf dem Boden der Liebe zu begleiten.
Wir erleben in den Beratungsprozessen, dass viele Paare miteinander ringen, ihre Schwierigkeiten und Probleme zu meistern, oder versuchen sich zumindest mit den Eigenheiten des*der Anderen zu arrangieren. Dies kann über viele Jahre andauern. Für viele Paare sind zudem Kinder und Familie-Sein Gründe, lange noch auszuhalten, bevor sie sich trennen. Richtig ist aber auch, dass sozioökonomische Abhängigkeiten oft nicht mehr in dem Maße wie in früheren Generationen bestehen, was es Paaren unter bestimmten Umständen leichter macht, sich zu trennen.
Die Zahl der Scheidungen ist gesunken. Was sind die Gründe dafür, unter anderem auch eine bessere Streitkultur?
A. Weissinger: Nicht nur die Scheidungsquote sinkt, sondern Ehen bleiben auch länger zusammen, bis es zur Trennung kommt. Es gibt ein Bedürfnis nach Sicherheit, Geborgenheit und Verlässlichkeit, gerade in unsicheren Zeiten. Bis sich Paare zu einer Ehe entscheiden, dauert es länger; d.h. Paare prüfen sich eingehender bis es zum Eheentschluss kommt. Die Notwendigkeit aus ökonomischen Gründen zu heiraten, ist meist nicht mehr gegeben, sondern es überwiegt das Bedürfnis nach mehr Tiefgang in der Beziehung. Jede*r ist in der Beziehung autonomer geworden, geht den eigenen Interessen und Freundeskreisen nach. Frauen sind finanziell unabhängiger geworden.
Zum Thema Streiten hat meine Kollegin H. Schmid bereits die entsprechenden Ausführungen gemacht. Und ja, wenn Paare lernen konstruktiv und nicht verletzend zu streiten ist das ein guter Boden für eine langfristige Beziehung.
Kommt es vor, dass Sie in Therapiesitzungen innerlich Partei für eine Person ergreifen? Ich schätze, die offizielle Version lautet nein…
A. Weissinger: … auch die inoffizielle Version lautet Nein, denn sobald wir parteiisch wären, würden wir unsere Unabhängigkeit verlieren und wären somit nicht mehr hilfreich für die Anliegen des Paares. Es darf keine Rolle spielen, ob mir eine Person sympathischer ist oder nicht. In der Einzel- wie in der Paarberatung unterbreiten wir jedem*r Beteiligten ein Beziehungsangebot und schauen was daraus im Beratungsprozess möglich wird.
Haben Sie einem Paar schon mal offen gesagt: Trennt euch!?
A. Weissinger: Nein. Wir unterstützen Paare in der Beantwortung der Frage "Gehen oder Bleiben". Es gibt Paare die wären vielleicht sogar dankbar jemand von Außen würde ihnen die Entscheidung "Trennung oder nicht" abnehmen. Die Verantwortung für "Gehen oder Bleiben" muss jedoch bei jedem*r Einzelnen bleiben.
Die Mitarbeiter*innen der Psychologischen Familien- und Lebensberatung der Caritas Ulm-Alb-Donau beraten Paare und Einzelpersonen unterschiedlichsten Alters, religiöser und ethnischer Zugehörigkeit und sexueller Orientierung, zu verschiedenen Themen, wie Selbstwert, persönliche Krisen, Rollenverständnis, Kommunikation, Paarkonflikte, Trennung, etc.
Eine Anmeldung zur Beratung kann über das Sekretariat der Psychologischen Familien- und Lebensberatung erfolgen unter:
Tel. 0731/ 40342160 (mit längerer Wartezeit ist zu rechnen)